Herzlich willkommen hier, Wanderer. In diesem Blog schreibe ich, was mir einfällt, was mich bewegt, was ich wichtig finde, vornehmlich zu den Themen Netzpolitik, Medien und Politik. Immer subjektiv, immer ehrlich, oft provokant, hoffentlich manchmal erhellend oder gar lustig. Viel Spaß!
Claus Dethleff
Stell‘ Dir vor Du wirst gezwungen…
… etwas Absurdes zu tun.
Ich bin ja nun seit Jahren in der Hilfe für Geflüchtete tätig und habe viele seltsame Dinge gelernt und erlebt – Verwaltungs- und Behördenirrsinn, Schikane und Ungerechtigkeit, seltsame Rechtsauslegung, struktureller Rassismus – alles dabei. Und das alles nur, um Geflüchteten (es sei denn, sie kommen aus der Ukraine) auf allen Ebenen zu signalisieren: „Wir wollen nicht, dass Ihr hier seid, hierbleibt, glaubt, Ihr würdet irgendwann dazugehören – nein, wir wollen, dass Ihr wieder weggeht, am Besten sofort.“
Das ist behördlicherseits umgesetzter Wille der Politik. Und ich habe keine Hoffnung, dass sich das irgendwann ändern wird.
Mädchen ohne Heimat
Am 21. November 2020 fand auf dem Neumarkt in Dresden eine Solidaritäts-Kundgebung für die Geflüchteten an den europäischen Grenzen statt. Ich hatte die Gelegenheit, dort eine Rede zu halten und erzählte von dem Mädchen, über das ich hier schon einmal berichtet habe – sie ist mit ihrer Familie übrigens immer noch in Kara Tepe auf Lesbos, ohne Hoffnung… hier mein Redebeitrag:
Europa, Du bist ein Arschloch!
Nicht immer und überall, aber am und auf dem Mittelmeer, in den Lagern, an den Grenzen, da hast Du alles, was ein Arschloch ausmacht: Du bist arrogant, zynisch, grausam und verlogen.
Ich möchte Euch von einem Mädchen erzählen – nennen wir sie Sara. Sara ist 15 Jahre alt, ich kenne sie seit mehr als vier Jahren. Ihre Nationalität ist Afghanisch, aber sie war noch nie in Afghanistan. Ihre Familie musste schon vor ihrer Geburt in den Iran fliehen, denn Saras Großvater war Mudschaheddin und hat gegen die Russen und später dann gegen die Islamisten, die sich heute Taliban nennen, gekämpft.
Sara hat keine Heimat.
Islamismus
Hier ein kleiner Text, den ich nach dem islamistischen Mord in Dresden eigentlich auf Facebook posten wollte. Und es dann doch nicht getan habe, weil da die Erregungswelle so hochschwappte und ich mich daran nicht beteiligen wollte. Aber dann doch zu schade zum Wegwerfen, der Text.
Samira

Samira heißt eigentlich anders, aber der Name ist hier nicht wichtig. Samira geht es schlecht. Sie ist in Moria.
Als ich Samira kennenlernte, hier in Dresden, war sie 11 Jahre alt. Es war Sommer 2016. Samira zog mit ihren beiden Brüdern (einer etwas älter als sie, der andere 2 oder 3 Jahre alt) und ihren Eltern in das Übergangswohnheim in Laubegast. Dort traf ich sie. Sie kam dann, meist mit ihrer Mutter und manchmal auch mit Mutter und Vater, zu unseren Deutschkursen. Sie war ein offenes und fröhliches Mädchen, man konnte sich mit ihr auf deutsch verständigen, das hatte sie sich selbst per App beigebracht.
Ihre Mutter war eine intelligente junge Frau, die sehr fleissig deutsch lernte. Man merkte ihr an, dass die die Chance sah, die sie in Deutschland haben könnte. „Samira“ weiterlesen
An der Moschee
In der letzten Augustwoche 2019 hielten die Nazis von der „Heidenauer Wellenlänge“ – Madeleine Feige und Konsorten – eine „Mahnwache“ an der Marwa-El-Sherbini-Moschee in der Marschnerstraße in Dresden ab.
Hintergrund war, dass die Gemeinde einen Neubau plant und die Nazis das unbedingt verhindern wollen, wegen Islamisierung und so. Am Freitag der betreffenden Woche drohte natürlich die Eskalation, deshalb ging ich hin. Es war ein turbulenter Nachmittag, über den ich bei Facebook berichtete: „An der Moschee“ weiterlesen
Wir schaffen das
An alle Bundestagsabgeordneten, die dem neuen Gesetzespaket zur (Re-) Migration zugestimmt haben, an den Innenminister, der es lustig fand, dass an seinem 69. Geburtstag „zufällig“ 69 afghanische Geflüchtete abgeschoben wurden und an die Bundeskanzlerin (ist die eigentlich noch im Amt?), die mit ihrem „wir schaffen das“ ein einziges Mal etwas (scheinbar) Treffendes gesagt hat:
So mancher hat sich echauffiert über dieses „wir schaffen das“ und tut es immer noch. Aber wir, die ehrenamtlichen Unterstützer geflüchteter Menschen, haben immer gesagt: „Natürlich schaffen wir das!“ WIR.
Ihr wollt es gar nicht schaffen. Und damit tretet ihr das, was wir tun, wofür wir uns einsetzen, mit Füßen.
Abschiebeknast und Kindeswohl
Am 11. Mai 2019 fand in Dresden eine Demonstration unter dem Motto „100 Jahre Abschiebehaft“ statt. Es ging hauptsächlich gegen den Abschiebeknast in Dresden (direkt neben dem „Anker“-Zentrum.
Es wurden einige Redebeiträge gehalten, die mir überwiegend sehr gut gefielen. Ein echtes Problem hatte ich mit dem Beitrag der Stadtratsabgeordneten der Grünen, Tina Siebeneicher. Ich musste mich mit meiner Kritik etwas zurückhalten, standen wir doch kurz vor der Neuwahl des Stadtrates und ich selbst auf der Kandidatenliste der Grünen (als Parteiloser), aber Sätze wie „Wir haben viel erreicht, zum Beispiel, dass Familien nicht mehr nachts abgeschoben werden“ oder „Ich werde mich auch in Zukunft für das Kindeswohl bei Abschiebungen einsetzen“ stießen mir dann doch sehr sauer auf. Bitte, what? Dann wird halt tagsüber abgeschoben, ist ja humaner? Und was um alles in der Welt kann eine Abschiebung je mit Kindeswohl zu tun haben? Na ja, Parteipolitik ist wohl nicht so mein Ding, war es auch nie, ich weiß schon, warum.
Auch ich wurde gebeten, einen Redebeitrag zu verfassen und vorzutragen, hier ist er im Wortlaut: „Abschiebeknast und Kindeswohl“ weiterlesen
Zwei Städte – zwei Erinnerungen
Diesen Text verfasste und las ich im Rahmen einer Veranstaltungsreihe von "Memorare Pacem" und "Weltoffenes Dresden" zur Erinnerungskultur rund um die Zerstörung der Stadt am 13. Februar 1945.

Ich bin 61 Jahre alt, und mein Leben ist, was Heimat angeht, zweigeteilt: die erste Hälfte verbrachte ich in Lübeck, bin also Norddeutscher, Hanseat von Hause aus. Ich komme aus der Stadt von Willy Brandt, von Thomas Mann, einer Stadt also, die nicht nur wesentlich älter ist als Dresden, sondern auch eine große Kulturgeschichte hat. Die zweite Hälfte meines Lebens habe ich nun in Dresden verbracht. Und auch, wenn die hier geborenen mich niemals als solchen anerkennen würden, so fühle ich mich auch als Dresdner, ich fühle mich hier zu Hause.
Zugegeben, die Gewöhnung der Dresdner an meine Mentalität und umgekehrt hat ganz schön lange gedauert, aber es geht gut mittlerweile. Vielleicht auch, weil ich die Wendezeit miterlebte und mich damals schon extrem aufgeregt habe über die Kolonialherrenmentalität vieler Leute, die aus dem Westen hierher kamen um Geschäfte zu machen. Bisweilen trifft man diese Mentalität immer noch an. Furchtbar.
Im Dschungel
Schon mal eine Wohnung gesucht? Sicher. Aber auch eine Wohnung gesucht, wenn Jobcenter, die Ausländerbehörde und der Vermieter ein Wörtchen mitzureden haben, teils nicht mit- sondern gegeneinander agieren und das Ganze auch noch durch ein schwer zu verstehendes Gerichtsurteil erschwert wird? Das wünsche ich niemandem, denn da kann man sich schnell verlieren im Dschungel der Vorschriften, Befindlichkeiten und Zwänge. Im Behördendschungel. Aber der Reihe nach: „Im Dschungel“ weiterlesen
Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Dresden
Betreff: Mission Lifeline
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hilbert,
sicher wissen Sie, dass die NGO Mission Lifeline, deren Schiff seit Wochen auf Malta am Auslaufen gehindert wird und dessen Kapitän sich vor Gericht verantworten muss, aus Dresden stammt und von Bürgern dieser Stadt, deren Oberbürgermeister Sie sind, gegründet wurde. Viele Bürger von Dresden unterstützen das, was diese Menschen im Mittelmeer tun, ausdrücklich.
Ich vermisse bis heute eine Aussage von Ihnen zu diesem Thema, welches mittlerweile europa-, wenn nicht gar weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Am liebsten wäre mir natürlich eine Solidaritätserklärung des Oberbürgermeisters der Stadt Dresden mit diesen Dresdner Bürgern, die nichts anderes tun, als Menschenleben zu retten. Oder wenigstens irgendeine Erklärung zu diesem Sachverhalt. Das muss möglich sein.
Als ich Sie kürzlich persönlich darauf ansprach, antworteten Sie mir sinngemäß, das Thema Migration und Flucht sei viel zu komplex, um darauf mit einer einfachen Erklärung einzugehen.
Das ist sicher richtig, es ist ein sehr komplexes Thema, aber ich erwarte von Ihnen ja auch keine Erklärung zum Thema Migration und Flucht, sondern zu der Frage, ob es richtig ist, Menschen vor dem Ertrinken zu retten, oder, wie die „Zeit“ kürzlich fragte „es einfach zu lassen“. Diese Frage, Herr Hilbert, finde ich extrem unterkomplex. Sie ist mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten.
Gern komme ich einmal mit meiner 13jährigen Patentochter aus Eritrea und ihrer Mutter zu Ihnen ins Büro, vielleicht können Sie den beiden, die auf der Überfahrt von Libyen vor dem Ertrinken gerettet worden sind, mal persönlich erklären, dass, wenn sie sich jetzt in ihrer Verzweiflung auf den Weg machen würden, sie leider aufgrund der Komplexität des Themas Migration und Flucht ertrinken müssten. Nebenbei bemerkt, die beiden haben extrem schlimme Dinge erlebt, sind nicht freiwillig aus ihrer Heimat geflohen, nicht zum Spaß in ein Schlauchboot gestiegen, sie wollten sogar ursprünglich gar nicht nach Europa. Auch ihre Geschichte ist also komplex, wird aber an der Stelle, wo sie ertrinken würden, weil keiner sie retten darf, schrecklich einfach.
Herr Hilbert, ich wünsche mir… nein, eigentlich erwarte von Ihnen als Oberbürgermeister von Dresden eine wie auch immer geartete Erklärung und die Anerkennung ehrenamtlichen Engagements Dresdner Bürger zur Rettung von Menschenleben und kein Schweigen zum zugelassenen Sterben im Mittelmeer!
Dresden, den 13.8.2018
Claus Dethleff
Dresden für Alle (Mitglied der Koordinierungsgruppe)
Laubegast ist bunt (Netzwerkkoordinator)